Mittwoch, 31. März 2010

Rezension Tagespost: Der Glaube wächst unterwegs


Von Gräfin Monika Metternich
Warmherzig und erfrischend: Marie-Sophie Lobkowicz schildert ihre Erlebnisse als Helferin in Lourdes
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Die Hoffnung auf Heilung an Leib und Seele verbindet Gläubige aus allen Nationen in Lourdes. Im Bild der Rosenkranzplatz mit drei übereinander gebauten Kirchen. Foto: dpa

Sich eine Woche Semesterferien oder kostbare Urlaubszeit abknapsen, um einmal richtig viel Stress zu haben? Wenig Schlaf, schlechtes Essen, abgrundtiefe Erschöpfung, harte Arbeit und dafür so viel Geld hinlegen wie für eine Woche Billigurlaub in Mallorca? Marie Sophie Lobkowicz zeigt in ihrem neuen, gerade im Präsenz Verlag erschienenen Buch „Es fühlt sich an wie Gott. Mit Kindern nach Lourdes pilgern“, dass so etwas Absurdes tatsächlich Sinn machen kann: Jedes Jahr versammeln sich junge, pflegetechnisch mehr, weniger oder völlig ungeübte junge Leute im Süden Deutschlands, um von dort aus per Zug mit 40 ungewöhnlichen Kindern in den Süden Frankreichs zu reisen. Genauer gesagt: In den Wallfahrtsort Lourdes. Alle diese Kinder sind geistig oder körperlich behindert – und viele von ihnen „schwere Fälle“. Die Reise wird begleitet durch zwei Ärzte und einige ausgebildete Schwestern sowie die erwähnten 60 Studenten und jungen Berufstätigen: „Wir sind dazu da, sie einfach lieb zu haben.“

„Das schaffe ich nie“ denken manche – und es geht doch

So beschreibt die junge Teamchefin des Unternehmens „Kinderzug“ den ebenso jungen Helferinnen und Helfern deren Hauptaufgabe. Aber natürlich gehört noch einiges mehr dazu! „Ich halte eine Windel in die Höhe und frage in die Runde, wer noch nie gewickelt hat. Mehrere Hände schnellen in die Höhe... Meistens sind es die Jungs, die noch nie gewickelt haben.“ Die Teammitglieder hören von „Weglauftendenz, Rollstühlen, Epileptikern, Autisten, hyperaktiven Kindern“ und bekommen neben einigen Tipps als Auftakt zu einer höchst ungewöhnlichen Urlaubsfahrt ordentlichen Bammel: „Das schaffe ich nie“, denkt Tatjana. „Das schaffe ich nie und nimmer.“

Vielen ihrer jungen Kollegen mag es ebenso gehen – und sie alle haben das Mitgefühl des immer mehr in den Bann dieser außergewöhnlichen Geschichte gezogenen Lesers.

Wie die Autorin dazu kam, den „Kinderzug“ anzuführen, erfährt der Leser ebenso wie er auch den Leitgedanken der Malteser kennenlernt, unter deren Flagge dieser an den Start geht: „Tuitio fidei et obsequium pauperum“ – „Bezeugung des Glaubens und Hilfe den Bedürftigen“. Dass es sich bei den Helfern nicht etwa um vortreffliche Glaubenshelden handelt, sondern um ganz normale junge Leute, die sich gern amüsieren, Spaß am Leben, aber auch Fragen haben und sich allerhand kritische Gedanken machen, wird im Verlauf der Reise immer deutlicher und macht das Buch überaus glaubwürdig und authentisch. Viele von ihnen treten die Reise mit dem unbestimmten Wunsch an, einmal im Jahr etwas wirklich Sinnvolles zu tun – und sie alle erfahren auf dieser Reise ganz praktisch, dass es viel weniger auf das Hinterfragen und Philosophieren ankommt (auch wenn dieses natürlich seinen festen Platz hat), sondern dass der Glaube vor allem beim Tun des Geglaubten wächst.

Um die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu wahren, bekommen alle Helfer Namen mit „T“ wie „Team“ – alle Kindernamen lässt die Autorin mit „K“ beginnen. Dass es sich aber bei jedem einzelnen Protagonisten um ein reales und unverwechselbares Individuum handelt, wird anhand der eingeschobenen Gedanken der Teammitglieder sowie der unverwechselbaren Kinderpersönlichkeiten bereits auf der langen Zugreise klar: „Weißt du, wenn man in den Zug einsteigt, sieht man lauter behinderte und kranke Kinder, wenn man aussteigt, sind es einfach nur noch Kinder.“ Der Dienstplan, der diese spannende Woche regelt, wird zum Leitfaden des Buches. Wer mag sich vorstellen, wie um alles in der Welt eine 18-stündige Zugreise mit schwer behinderten Kindern, nur zwei engen Toiletten und wenigen winzigen Waschbecken ablaufen könnte?

Zu viel sei hier nicht verraten – Marie Sophie Lobkowicz schafft es jedenfalls mit zuweilen deftiger Sprache, gewürzt mit einer gewaltigen Portion Humor, Situationen, die zunächst eher abtörnenden Charakter haben dürften, zu hinreißenden Momentaufnahmen werden zu lassen. Gemeinsam mit den Teammitgliedern und den Kindern kommt der Leser in Lourdes an, lernt den wundersamen Ort und seine höchst unterschiedlichen Facetten kennen. Vor allem aber lernt er immer mehr die kleinen Persönlichkeiten kennen, die da ständig in die Hose machen, im Rollstuhl turnen, den Nachtschlaf verweigern, das Krankenzimmer verwüsten, davonlaufen wollen – oder einfach dasitzen, liegen, lachen, weinen. Kira, das sanfte, blinde, fast taube Mädchen. Der lustige Kasper, der immerzu „Polizei“ spielt und allen Löcher in den Bauch fragt. Klara, das autoaggressive Kind, das auf zarte Berührungen hin plötzlich strahlen kann, als ob die Sonne aufgeht. Der kleine Kenny mit dem Shunt im Kopf, der einem beim Lesen so nahekommt, dass man bis zur letzten Seite des Buches mit ihm zittert. Und all die anderen – plötzlich realisiert man gemeinsam mit jedem der jungen Helfer, warum Gott jeden einzelnen Menschen so liebt: Weil sie wirklich liebenswert sind, jeder auf seine ganz einzigartige, höchstpersönliche Weise.

Von der Mutter zu Jesus Christus geführt

Der Ort, der die Kinder, ihre Helfer und den Leser zusammenbringt, ist Lourdes. Wo einst die Muttergottes einem jungen Hirtenmädchen erschien und an dem viele Menschen Heilung erfuhren. Wer Wunderphänomenen skeptisch gegenübersteht, wird in diesem Buch auf eine ganz neue Spur von „Heilung“ geführt. Es wird spürbar, dass hier Leib und Seele von Gesunden und Kranken an die Quellen des Lebens geführt werden. „Es fühlt sich an wie Gott!“ fasst der lustige kleine Kasper zusammen, was er am allerschönsten in Lourdes fand und gibt damit diesem wunderbaren Buch seinen treffenden Titel. Die jungen Helfer mit „ihren“ Kindern im Arm könnten es wohl sehr ähnlich ausdrücken. Und ja, man kann es sich nun vorstellen, dass an diesem Ort Menschen, ob krank oder gesund, zu dem finden, der der Welt umfassendes Heil gebracht hat: Sie werden von seiner Mutter zu Jesus Christus geführt. Man möchte es nach der herzerfrischenden, teils zu Tränen rührenden Lektüre dieses warmherzigen Buches fast selbst einmal wagen, sich auf diesen Weg mitnehmen zu lassen.


http://www.die-tagespost.de/2008/index.php?option=com_content&task=view&id=200055384&Itemid=4

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